Geschichte zum Nachdenken

 

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Tweet wird zum Hit im Netz

 

Frau wird sexuell belästigt, doch die Reaktion des Busfahrers ist widerlich

 

09.05.17 19:35

 

 

 

London - Nathalie Gordon wurde im Bus sexuell belästigt. Als sie sich an den Fahrer wandte, hatte der eine unfassbare Antwort parat. Mit ihrer Geschichte spricht sie vielen Frauen aus der Seele.

 

„Männer werden nie verstehen, wie es ist, eine Frau zu sein“, ist sich Nathalie Gordon sicher. Die ausgebildete Künstlerin lebt in London und beschreibt sich selbst als Kulturlieferantin. Ihr schockierendes Erlebnis, das sie auf Twitter mit ihren mehr als 6000 Followern teilte, sorgt gerade für jede Menge Diskussionen. 

 

„Ich saß im Bus auf dem Weg zu einem Termin und hörte Musik, als ein Mann mein Knie anstupste. Ich nahm also meine Kopfhörer raus.“ Erst wollte der Mann nur wissen, wohin der Bus fährt, dann fragte er Nathalie, wohin sie unterwegs ist. Sie antwortete höflich, worauf der Mann sie fragte, ob sie nicht Lust hätte, mit ihm etwas trinken zu gehen. Sie lehnte höflich ab und stöpselte ihre Kopfhörer wieder in die Ohren. Völlig unvermittelt riss der Mann die ihr jedoch aus der Hand und sagte: „Sei nicht unhöflich“.

 

„Ich entschuldige mich“, erzählt Nathalie, „und weiß nicht recht, was ich tun soll, ich will ihn nicht provozieren. Ich schaue also aus dem Fenster, aber aus dem Augenwinkel sehe ich, dass der Mann mich anstarrt und angefangen hat, seinen Schritt zu reiben.“

 

Die schockierte Frau sagt ihm, er solle damit aufhören, doch der Mann lacht nur. Also steht Nathalie auf und geht zum Busfahrer nach vorne und erzählt ihm von der sexuellen Belästigung.

 

Die unfassbare Reaktion des Busfahrers

 

Doch der Mann am Steuer sagt ihr, sie müsse sich irren und rät ihr, sich einfach woanders hinzusetzen. Nathalie wiederholt ihre Beschwerde, doch der Busfahrer fragt sie nur: „Und was soll ich da jetzt tun?“ „Ich sage: „Werfen Sie ihn aus dem Bus, rufen Sie die Polizei, ist mir egal!“ Worauf der Busfahrer sie unfassbarerweise fragt: „Sie sind ein hübsches Mädchen, was erwarten Sie denn?“

 

Nathalie: „Das erwarte ich“

 

Was Nathalie erwartet, kann sie dem Busfahrer und ihren Twitter-Followern ganz genau sagen:

 

„Wisst ihr was? Ich erwarte verdammt nochmal, dass man Frauen respektiert, egal wer sie sind, wie sie aussehen oder was sie anhaben. Ich erwarte, dass man verdammt nochmal respektiert, wenn eine Frau nicht mit Dir etwas trinken gehen will, wenn sie um Hilfe bittet, wenn sie Angst hat. Ich erwarte verdammt nochmal, dass man jeden Menschen respektiert, der sich verletzlich fühlt, der Nein sagt oder um Hilfe bittet. Ich erwarte, dass Männer aufhören zu glauben, dass ihnen jede Frau auf dem Planeten etwas schuldig ist. Ich erwarte, dass ich mich im Bus, auf der Straße, in meinem Haus oder egal, wo ich bin, sicher fühlen kann. Ich erwarte, dass ich in einer Welt leben kann, wo es egal ist, wie ich aussehe - wenn ich Nein sage, meine ich Nein, verdammt nochmal. Ich erwarte, dass ich mich nicht so alleine und verängstigt fühlen muss. Kein Mann weiß, wie das sich anfühlt, deshalb ist es so vielen egal. Ich erwarte, dass ich mir nicht mehr Sorgen darüber machen muss, ob ich einen Mann beleidige, als darüber, ob ich mich sicher fühlen kann. Ich erwarte, dass ich nicht ständig und überall auf der Hut sein muss. Und ich weiß, dass es anderen Frauen ganz genauso geht - wir haben alle Angst, die ganze Zeit. Ich erwarte, dass die anständigen Männer auf unserer Seite sind, uns unterstützen, uns zuhören, dass es ihnen nicht egal ist, dass sie sich für uns stark machen, wenn wir dazu nicht in der Lage sind, und dass sie andere motivieren, das auch zu tun.“

 

Viele Frauen erzählen ihre eigene Geschichte

 

Mit ihrer Geschichte sprach Nathalie sehr vielen Frauen aus der Seele und gab ihnen den Mut, ihre eigenen, ganz ähnlichen Erlebnisse mitzuteilen. Doch nicht nur Frauen, auch Homosexuelle und andere Minderheiten schilderten Situationen aus ihrem Leben, in denen ihnen keiner beistand, als sie in Bedrängnis waren. Den mitlesenden Männern riet Nathalie: „Es ist nicht nötig, dass ihr Eure Meinung kundtut oder einen Schuldigen sucht. Lest das einfach und versteht und unterstützt die Frauen in Eurem Leben künftig besser.“

 

Männer attackieren Nathalie

 

Doch viele Männer konnten oder wollten nicht verstehen. Unter die massenhafte Solidarität mischte sich auch jede Menge Hass. So unterstellte ein Mann Nathalie, sie hätte die Geschichte erfunden. Sarkastisch twitterte sie: „Ich hätte nicht gedacht, dass es ganze anderthalb Stunden braucht, bis mir jemand damit kommt.“ Ein anderer Mann gab ihr, dem Opfer, indirekt die Schuld und schrieb Nathalie, sie könne nicht erwarten, dass jemand sie beschützt. „Ich will nicht beschützt werden“, schrieb sie dazu, „ich will, dass man mich in Ruhe lässt. Ist das so schwer zu verstehen?“

 

Ein dritter fühlte sich offenbar persönlich angegriffen: Er beschuldigte sie, alle Männer über einen Kamm zu scheren und beschimpfte sie wüst. „Ich wollte nur, dass alle Männer wissen und verstehen, wie sich viele Frauen fühlen“, erklärte sie später in einem Interview mit einem britischen Magazin: „Wir brauchen keine Helden, wir sind keine „Jungfrau in Nöten“. Aber jeder von uns, der Zeuge einer solchen Situation wird, kann sie positiv beeinflussen.“

 

Nathalie: „So kann jeder helfen“

 

Man kann selber helfen oder Hilfe suchen, Aufmerksamkeit erregen, sich zu der belästigten oder bedrohten Person setzen, den Übergriffigen in Verlegenheit bringen, die Polizei rufen - alles, nur nicht wegschauen.“ Schon das Gefühl zu wissen, da ist jemand, der merkt, dass da was nicht stimmt, könne helfen, ergänzte sie.

 

Auch wenn sie der Busfahrer nicht ernst nahm, die für den Schienenverkehr in Großbritannien zuständige Polizei nahm Nathalie ernst. Nach ihrem Anruf versprach man ihr, der Sache nachzugehen. Und sie kann kann sich auf die Fahnen schreiben, eine wichtige Diskussion angestoßen zu haben.

 

hn

 

 

 

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